TonWorte

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21. Juni 1992, 19 Uhr
Theater im Künstlerhaus

Gilbert Amy: JEUX
Wolfram Schurig: FÜR IMMER, 1. und 6. Satz
Monica Linares de-Berti: NEL PRIMO MOBILE
John Cage: ARIA
Egon A. Prantl: THE RADIOTELEGRAPHIC-JOYCE

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Claudio Monteverdi: CRUDA AMARILLI
Arno Schmidt/JamesJoyce: FINNEGANS WAKE
Thomas Désy: ORPHEUS-SONETTE

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SARAH BARRETT: SOPRAN, RAINER FRIEB: SPRECHER,

ENSEMBLE KLANGARTEN, LTG.: T. DÉSY




Beziehungen zwischen Wort und Ton spielen in der Musik eine herausragende Rolle. In unserem Jahrhundert wurde der Grenzbereich zur Sprache als neues Ausdrucksmittel und als vielfältige Anregung für neue musikalische Formen zum integralen Bestandteil verschiedenster Ausprägungen musikalischer Sprache. In unserer zweiten Veranstaltung 1992 werden wir verschiedene Facetten dieses Grenzbereiches vorstellen, die von Monteverdis - damals unerhörter - Textbehandlung bis zu Musikwerken aus jüngster Zeit reichen, in denen Worte "unaussprechlich" werden und gänzlich in der Musik aufgehen. Daß im Programm auch Autoren zu finden sind, die sich im Grenzgebiet zur Musik bewegen, wie Arno Schmidt, Kurt Schwitters, James Joyce, sowie ein zeitgenösischer österreichischer Dichter, versteht sich dabei fast von selbst.

Im ersten Teil des Abends steht die direkte Auseinandersetzung mit dem Wort in der Vokalmusik im Vordergrund. Die Werke von Feldman und Cage sollen zeigen, wie weit der Begriff des Vokalen heute gefaßt werden muß. Er reicht tief hinein ins Szenisch-Darstellerische; das Spektrum der Laute, die von der Solistin geforderet werden zeigt sehr eindringlich das Übergehen von Sprache in Musik. "Reine Musik" dagegen ist das Sprechen in "Jeux" des Franzosen Gibert Amy geworden. Die 3 Instrumentalisten führen eine vielseitig abgestuften Art "musikalischer Unterhaltung". Die Lesung eines österreichischen Dichters, dessen Texte einen musikalischen Bezug haben werden, wird das Verhältnis Musik-Sprache von der entgegengesetzten Seite der "reinen Sprache" beleuchten.

In der Pause wird - teilweise über Lautsprecher - die "Ursonate" von Kurt Schwitters realisiert werden. Da dieses ironisierende Werk in keine der herkömmlichen Kunstkategorien gefaßt werden kann, stellt es gewissermaßen einen Höhepunkt der Verschmelzung verschiedener Ebenen der Kunst dar. Indem es sich mit dem Geräuschpegel der Pause vermischt, tritt es in eine Art "Metabeziehung" zur "Alltagskunst" der plaudernden Zuhörer.

Im zweiten Teil beginnt sich die klare Kontur der Sprache immer mehr in eine "Tonsprache" aufzulösen. "Nel Primo Mobile" der spanischen Komponistin Monica Linares de Berti bezieht sich auf Textfragmente aus Dantes "Divina Comedia", die in andeutender Art auf den verbalen Hintergrund dieser Musik hinweisen. Das Werk von Maxwell Davies bezieht sich auf die Anfänge schriftlicher Aufzeichnungen, die "Runen". In der Musik scheinen sich uralte Zeichen zu offenbaren, die durch eine seltsame "Ferne" des klanglichen Geschehens suggeriert werden. In Thomas Dézsy "Orpheus-Sonette" wiederum geraten Sprache und Ton-Sprache an die Grenzen zur Stille, zum Schweigen. Die Musiker, die zwischendurch noch Textstellen aus Rilkes "Sonetten an Orpheus" zitieren, besinnen sich schließlich ganz auf die Möglichkeiten ihrer musikalischen Welt, die sich dann zum Schluß immer mehr auflöst. Die Sprache von Joyces "Finnegan's Wake" ist nicht mehr nach den Prinzipien des logisch-sprachlichen Zusammenhangs, sondern nach sprachlichen Gesetzen des Unbewußten, die Arno Schmidt "Etyms" nennt, gestaltet. Sie gerät dadurch in erstaunliche Analogie zu musikalischen Abläufen und behält dennoch den eigentümlichen Reiz, gesprochenes "Wort" zu sein.

Wie auch in unseren anderen Programmen, war auch bei der Konzeption des zweiten Abends die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Ansätze, das Grenzgebiet zwischen Tönen und Worten zu betreten, ein wesentliches Kriterium der Programmgestaltung. Daß dennoch eine klare Orientierung möglich ist, wird durch die latenten Analogien zwischen den Programmpunkten ebenso gewährleistet sein, wie die zusätzliche Dimension durch die "Worte" der ausführlichen "Programm-Booklets". Das Gespräch zwischen Künstlern und Publikum schließlich wird eine weitere Bedeutung des Wortes, nämlich die der persönlichen Kommunikation, miteinbeziehen.


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